Nichts Gutes kommt aus Hamburg

In den Kreisen von Abmahnanwälten gibt es einen Spruch: Wer in Hamburg verliert, hat sein Staatsexamen im Lotto gewonnen.

Es gibt wohl keinen Gerichtsbezirk, in dem in Sachen Urheberrecht und Abmahnungen der gesunde Menschenverstand so außer Acht gelassen wird wie in Hamburg. So nehmen sowohl Amtsgericht als auch Landgericht unter Missachtung der ZPO und der gängigen Rechtsprechung permanent ihre Zuständigkeit in Sachen Abmahnung und Filesharing an. Begründet wird dies durch das Konstrukt des „fliegenden Gerichtsstandes“, obwohl seit dem Urteil des Oberlandesgerichts Bremen aus dem Jahr 1999 fest steht, dass dieses auf Filesharing nicht angewendet gehört.

Der neuste Fauxpas des Amtsgericht Hamburg kam mit dem Urteil vom 30.04.2012 – Az.: 36a C 479/11. Zwei Jahre lang konnte uns § 97a UrhG vor übertriebenen Forderungen schützen. Dieser legt fest, dass sich bei erstmaligen und einfachen Verstößen die Forderung des gegnerischen Anwalts auf 100,00 € begrenzt. In gängiger Rechtsprechung wurden darüber hinaus die GEMA-Tariftabellen für den eigentlichen Schadensersatzbetrag angewendet.
Somit bezahlte man für einen einfachen Urheberrechtsverstoß ca. 200 bis 250 €. Dieser Betrag war dabei richtig und angemessen, da es sich hier ja immerhin um eine Straftat handelt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte § 97a UrhG die erste Downloadhandlung „abdecken“. Dabei sollte es gerade nicht darauf ankommen, ob das Werk ein Sampler, ein Film, eine Single oder ein Album ist.

Im oben angeführten Fall lud der Kläger ein Musikalbum mit 11 Titeln herunter. Aufgrund der technischen Gegebenheiten beim Filesharing bot er diese natürlich auch gleichzeitig zum Download an. Das Amtsgericht Hamburg argumentiert nun, dass nicht festgestellt werden kann, wie viele User das Album vom Rechner des Beklagten herunterladen konnten. Aus diesem Grund hielt es eine Schadensersatzforderung in Höhe von 2500 € für angemessen. Gleichzeitig legte es den Streitwert auf 50.000 € fest, obwohl der gängige Streitwert für ein Album von allen anderen Gerichten auf 1200 – 3000 Euro festgesetzt wird. Demnach kamen zu den 2500 € auch noch Anwaltskosten in Höhe von ca. 2800 € (ca. 1400 € pro Anwalt) hinzu. Es ist für niemanden nachzuvollziehen, dass ein Musikalbum mit einem Ladenwert von 9 € eine Streitwertfestsetzung auf 50.000 € auslösen kann.

Der Rest ist schnell erzählt. Sämtliche Abmahnanwälte holen gerade alle alten Akten heraus, rollen schon abgeschlossene Fälle wieder auf und kommen erneut mit horrenden Forderungen. Allein diese Woche gingen 8 solche Schreiben in meiner Kanzlei ein.

Nun stehen wir wieder da, wo wir vor 4 Jahren schon einmal standen. Die Abmahnungen bringen der Musikindustrie keinen angemessenen Schadensersatz mehr, sondern überdurchschnittliche Einnahmen. Gleiches gilt für die Abmahnanwälte.

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